Libanon Teil 1 – Jemand wie Du

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I love Beirut

Warum fährt jemand wie DU in den Libanon? Auf diese Frage meines Chef-Chefs habe ich keine rationale Antwort. Ich weiß nur, Beirut hat mir den Kopf verdreht und jemand wie ich wird nicht das letzte Mal dort gewesen sein.

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Kein Entkommen

Es ist wie immer. Irgendwann ist da dieser Gedanke, da muss ich mal hin. Sei es durch Filme, Dokus, persönliche Gespräche oder sonst-was; einmal gedacht, gibt es kein Entrinnen. Es mögen noch Jahre der Inkubationszeit vergehen, eines Tages versagt das Immunsystem der Vernunft.

Wegen eines fiesen Infekts im September-Urlaub hatte ich mich zeitweise krankschreiben lassen, so dass nun fünf Extratage nach Verwendung riefen. Ganz unverbindlich tippen meine Finger das Wort “Beirut” in den Rechner. Ach guck, es gibt einen Flug, direkt von Hamburg. Momentemal, die Zeiten sind ja super, inklusive Essen und Freigepäck, so günstig?

Beirut im Sonnenuntergang
In der Ferne, Beirut im Sonnenuntergang

Was sagt die Wettervorhersage für Mitte November? 20-25 Grad. Und Hotel? Vier Sterne Schnäppchen am Meer, mit Frühstück und kostenlosem Airport Shuttle, ach komm, geh’ weg! Visum? Wird bei der Einreise erteilt. Der Puls steigt, die Zeit ist gekommen, der Husten im Herbst war also nur Vorbote des Unausweichlichen.

Ab hier übernimmt der mentale Autopilot, füllt Formulare aus, Urlaub noch gar nicht beantragt, geschweige denn genehmigt, egal, Name, Geburtstag, Kreditkarte, XL Sitzplatz dazu, fertig – nur noch jetzt verbindlich buchen.

Die Zeit ist abgelaufen

Doch vor dem letzten Klick kommt das Grübeln. Syrien im Osten ist nur 70km entfernt, zwischen Israel und Gaza im Süden fliegen wieder Raketen. Schockstarre.

Da poppt ein Fenster auf, die Buchung sei gleich abgelaufen, ob ich noch Bedenkzeit benötige? Ja. Soll-ich-soll-ich-nicht? Wieder ist die Zeit um, brauchen Sie noch Zeit? Danke! Dann nochmal und nochmal. Diese Airline ist für jemanden wie mich gemacht, sie fliegt nicht nur exotische Orte an, sondern gewährt auch Bedenkenträgern beliebig häufigen Aufschub. Oder ist dieses zögernde Verhalten unter Verrückten normal?

Live the life you love
Ein einfaches Graffiti in Beirut weist den Weg.

Während andere irgendwann Timeout! sagen, falls ein Kunde zu lange wartet, hat diese Firma ihr Klientel verstanden, das keinen Bock hat, den selben Buchungsprozess zehnmal zu durchlaufen. Meine Frau sagt, mach doch, aber ich drehe mich im Kreis. Mehr Zeit? Ja verdammt. Diese Gelegenheit kommt nicht wieder, da wolltest Du doch schon immer mal hin. Brauchen Sie noch Bedenkzeit? Irgendwann habe ich die Faxen dicke und schließe das Pop-Up endgültig. Die Buchungsbestätigung ist da, Hamburg-Beirut, Sitzplatz 10A am Fenster links für den spektakulären Landeanflug, Spontanität will schließlich gut geplant sein. Extase!

Schlaflos

Noch ein Monat. Meine chronische Müdigkeit ist verflogen. Aufgekratzt liege ich nachts wach, empfinde Furcht und Vorfreude. Es bedarf jetzt einiger Anstrengung, das Zerrbild über den Nahen Osten aus dem Kopf zu jagen. Westliche Medien berichten bekanntermaßen nur Gutes über die Levante.

Noch liegt das Ziel vor mir im Dunkeln, schemenhaft und geheimnisvoll

Das Auswärtige Amt warnt vor bestimmten Gegenden im Landesinneren und Beiruts Süden, dem Belt of Misery, einem herunter gekommenen Elendsviertel. Millionen Flüchtlinge aus Syrien, die latente Gefahr von Anschlägen, spontane Groß-Demos, das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen klingen noch euphorische Reiseberichte von Bekannten im Ohr. Seelen-verwandte Blogger schreiben vom Paradies Libanon mit seinen unfassbar freundlichen Menschen.

Abenteuer مغامرة

Als die Turbinen anlaufen und der Airbus in dunkler Nacht zur Startbahn rollt, ist es wie immer: in diesem Augenblick gibt es kein Zurück, keine Zweifel, kein Bedauern.

Jemand wie ich denkt nur, endlich geht es los!

Viele Grüße, Oliver Schömburg (Olliwaa)

Nachtrag 05.02.2019: so schnell kann’s gehen. Etwas mehr als zwei Monate später meldet die Fluggesellschaft Insolvenz an. Manche Gelegenheit bietet sich im Leben genau einmal.

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