Ein Tag im Jahre 1994, kurz nach Ostern. Nachdem eine Krankheit, benannt nach zwei Ärzten aus Skandinavien, meine Jugend vermiest hatte, war ich bereit für den Kampf meines Lebens.
Dunkelheit
Mit zwei Jahren kam ich ins Krankenhaus und wurde ans Bett gefesselt. Jede Bewegung schmerzte unerträglich. Durch das Still-legen sollte verhindert werden, dass ich permanent das Hospital zusammenbrülle. Sechs Wochen blieb ich und niemand wusste am Ende, was ich hatte.
Die Schmerzen verschwanden so schnell, wie sie kamen, traten Jahre später aber erneut in Erscheinung. Mit 7 und ein weiteres Mal mit 12 Jahren. Immer noch rätselten die Ärzte. Erst im Alter von 13 stieß ich auf einen Mediziner, der zufällig auf einer Weiterbildung von einem sehr seltenen Leiden gehört hatte, das nur 0,2% der Bevölkerung betraf.
Dem Himmel sei Dank, der Doktor prophezeite mir, als sich sein Verdacht bestätigte, dass dieses Übel im Laufe der Pubertät für immer verschwinden würde. Doch bis es soweit sei, dürfe ich weder am Sportunterricht teilnehmen, noch mit meinen Mitschülern Bolzen und Balgen.
Es war keine leichte Übung, denn nie dabei sein zu dürfen, wenn die Kameraden toben, macht einsam. Mangels Bewegung wurde ich dick und durch das Ausgeschlossen-sein depressiv.
So verkroch ich mich in meinem Zimmer, glotzte Rambo, MacGuyver, jede Menge Martial Arts Knaller und träumte davon, wie meine Filmhelden stark und frei zu sein. Einmal habe ich in der Zeit sogar bei einem Karate-Training in unserem Dorf zugeschaut. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Beängstigt und fasziniert zugleich schaute ich zu, wie hart dort geübt wurde. Für mich war das alles unerreichbar. Also zog ich wieder von dannen, zurück in meine vier Wände.
Doch tatsächlich, wie vorhergesagt, klang die Krankheit langsam aus. Für mich gab es nun zwei Optionen: kämpfen und aus dem dunklen Loch hervorkriechen oder für immer darin versinken.
Licht
Ich begann das zu tun, was mir bisher verwehrt blieb: Laufen. Ein Jahr lang quälte ich mich über Asphalt und Waldwege. Zunächst einige bescheidene Hundert Meter, dann mehr. Mit Zehn Kilometern war die erste Etappe erreicht: eine solide Basis für mein großes Vorhaben zu schaffen.
Damals zählte ich sechzehn Lenze und überredete meinen Kumpel, der ebenfalls an Kampfkunst interessiert war, zum Karate Training mitzukommen.
An diesem Tag nach Ostern nahm ich all meinen Mut zusammen und fasste folgenden Entschluss, noch bevor wir die Sporthalle überhaupt betreten hatten:
Ab dem heutigen Tage werde ich Karate lernen und es bis zum Schwarzgurt bringen. Sei es noch so anstrengend, schmerzhaft und schwer. Ich werde stark sein.
Seitdem ist das Karate-Do der rote Faden meines Lebens. Wenn ich es mir recht überlege, ist die Kampfkunst für mich sogar die einzige echte Konstante. Schule, Studium, Freunde, Liebschaften, Umzug, Beruf, Heirat. Höhen, Tiefen, Veränderungen. Vieles kommt und geht. Karate bleibt.
War es auch ein langer, beschwerlicher Weg bis hierhin, so hat er sich in jeder Hinsicht gelohnt.
Der Weg
Karate-Do, der «Weg der leeren Hand» lehrte mich, dass durch Ausdauer und Beharrlichkeit Ziele in größter Entfernung erreichbar sind. Ich sah Mitstreiter, die zehnmal so talentiert waren wie ich und aufgaben. Es begegneten mir Schwache, die stark wurden. Ich wurde inspiriert von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen, die zu Meistern wurden. Ich fand Freunde aus aller Welt und meine Frau. Ich lernte, dass der schwierige Pfad fast immer der bessere ist.
Dem Weg verdanke ich alles. Und ich stehe erst an seinem Anfang.
Die Schriftzeichen bedeuten «Bushido» – Weg des Kriegers
Zeit zum Handeln: Welche Ausreden halten Dich davon ab, Dein Leben zu ändern?
Der Wille entscheidet, nicht Talent, Herkunft oder Geld.
OSU,
Olliwaa