Ist das Studium des Karate eine Lebensaufgabe oder geht es vielleicht doch etwas schneller?
Vilfredo Pareto ist längst tot und doch einer meiner besten Freunde. Er hat mein Leben stark vereinfacht und mir Unmengen an Arbeit und Kosten erspart. Etwa als es darum ging, unsere Fenster zu erneuern. Dank Vilfredo hat uns der Spaß nur ein Bruchteil gekostet, war in null-komma-nix fertig und hat kaum Dreck produziert. Bei vielen weiteren Gelegenheiten hat er mir geholfen, den richtigen Hebel zu finden, um mit geringstem Aufwand ein gutes Ergebnis zu erreichen. Ganz nach dem Motto: Work smart, not hard.
Pareto-Prinzip
Das Paretoprinzip, benannt nach Vilfredo Pareto (1848–1923), auch Pareto-Effekt oder 80-zu-20-Regel genannt, besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse benötigen mit 80 % die meiste Arbeit. – Quelle: Wikipedia
Dieses Prinzip lässt sich vielseitig anwenden. So ist der Rohbau eines neuen Hauses meist in kürzester Zeit fertig, während der Rest den Löwenanteil der gesamten Bauzeit beansprucht. Im Qualitätsmanagement ist häufig zu beobachten, dass 20 Prozent aller Fehlerarten für 80 Prozent der Beanstandungen verantwortlich sind. Um eine signifikante Verbesserung zu erreichen, sollte man daher seine Energie auf die Behebung genau dieser wenigen Ursachen konzentrieren. Im Falle unserer Fenster haben wir nicht für ein perfektes Ergebnis alles getauscht, sondern nur die Gläser. Somit sparen wir Heizenergie und tausende Euro, weil uns ein gutes Resultat genügt.
Der beschwerliche Weg
Beim Karate dauert es gefühlt ewig, bis man in der Lage ist, sich seiner Haut erwehren zu können. Die Eleven lernen zunächst langweilige “Grundschule”, müssen Formen (Kata) auswendig lernen, ohne zu ahnen was das eigentlich soll, dazu japanische Begriffe pauken, Etikette und vielerlei Gedöns verarbeiten. Es handelt sich um ein Haus, bei dem ein Stockwerk auf dem nächsten aufbaut. Das nötige Fundament zu errichten ist ein schweißtreibender, quälend langsamer Prozess der für manche mit Frust und Enttäuschung verbunden ist. Setzt jemand mehrere Wochen aus, geht vieles wieder verloren. So kenne ich Schüler, die auch nach langer Vereins-Mitgliedschaft mangels Kontinuität nur um den Nullpunkt kreisen. In Künsten wie Krav Maga oder Thaiboxen geht es dagegen sofort zur Sache. Man lernt vom ersten Tag an zu kämpfen, ohne jeden Schnickschnack. Fehlen Schüler länger, machen sie einfach dort weiter, wo sie aufgehört haben.
Wenn Pareto Karate-ka gewesen wäre
Bei einer Autofahrt stellte ich meinen Karate-Mentor und Freund André Bertel 2016 folgende Frage: “André sensei, auch wenn Karate eine Lebensaufgabe ist, siehst Du die Möglichkeit, das 80-20 Prinzip von Pareto darauf anzuwenden und wenn ja, auf welche 20% an Techniken, Übungen usw. sollte man fokussieren, um ein brauchbares Karate zu erhalten, das 80% realer Verteidigungsfälle abdeckt?” Nach einiger Bedenkzeit nannte er die Dinge, die mir selbst durch den Kopf schwirrten: Oi- und Gyaku Zuki, Mae Geri, sowie Age- und Soto Uke. Also einfachste Schläge, ein Vorwärtstritt, sowie vielleicht noch ein oder zwei Blocktechniken.
Ergänzend würde ich hinzufügen, dass für einen schnellen Erfolg einfache Verhaltensregeln und Prinzipien reichen, die auch unter Adrenalin funktionieren. Wenn dieser Rohbau steht, sollte einem schönen Karate Haus nichts mehr im Wege stehen.
Viele Grüße,
Oliver Schömburg (Olliwaa)
P.s.: Einen sehr lesenswerten Artikel über das Pareto-Prinzip – und wie es das eigene Leben bereichern kann, habe ich hier gefunden: https://www.primal-state.de/pareto-prinzip/