Globaler Migrationspakt: Utopie mit Sprengkraft?

Kategorien Politik
Globaler Migrationspakt: Utopie mit enormer Sprengkraft

Im Dezember 2018 wird der Globale Pakt für eine sichere, geordnete und geregelte Migration von voraussichtlich 190 UNO-Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Das 34-seitige Traktat ist ein Wunderwerk internationaler Zusammenarbeit und erkennt an, dass Migration in allen Varianten zur Realität gehört und gut gemanagt werden sollte. Zugleich birgt es enorme soziale Sprengkraft. Und zwar durch das, was NICHT enthalten ist.

Was ist der Global Compact for Migration?

Der globale Migrationspakt ist eine von den UN Mitgliedsstaaten erarbeitete Vereinbarung, die Migration als integralen Bestandteil der Menschheit und positive Quelle für Wohlstand, Innovation und nachhaltige Entwicklung sieht. Mit Fokus auf Menschenrechte ist es der Versuch, aus der Migration eine Win-Win Situation für alle zu machen, in dem sie sicher, geordnet, planbar und in all ihren Facetten in einer «360 Grad Vision» betrachtet wird. Und zwar unter Betrachtung vermeintlich aller Risiken und Herausforderungen für Individuen, Gemeinschaften und Länder des Ursprungs, des Transits und des Ziels.

This Global Compact offers a 360-degree vision of international migration and recognizes that a comprehensive approach is needed to optimize the overall benefits of migration, while addressing risks and challenges for individuals and communities in countries of origin, transit and destination. – PREAMBLE, §11

In 23 Zielsetzungen (Objectives) und mehr als 180 Maßnahmen (Actions) werden alle erdenklichen Themen behandelt. Vom Datensammeln, über das Mildern von Fluchtursachen, dem Bereitstellen von Informationen, der Bekämpfung von Menschenhandel, dem «Grenzmanagement», fairen ethischen Standards bei der Anwerbung von Arbeitskräften, bis hin zur Rückführung und Details über das Eröffnen eines Kontos durch weibliche Migranten (OBJECTIVE 20 / Abschnitt h).

Es würde den Rahmen sprengen, auf alle Einzelheiten einzugehen. Zu empfehlen ist, sich mit dem Schriftstück zu befassen, das z.B. bei der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. zu finden ist. Eine deutsche Fassung, garniert mit saftiger Kritik, bietet der Journalist Roland Tichy an.

Zusammengefasst: der Pakt enthält viele sinnvolle und überfällige Initiativen, die teilweise sogar schärfste Migrationsgegner unterschreiben dürften.

Das große Aber

Im Zentrum des Paktes steht das Individuum.

As a result, the Global Compact places individuals at its core. – OUR VISION AND GUIDING PRINCIPLES, §15

Und genau hier liegt das Problem. Mit viel Liebe zum Detail wird beschrieben, wie der einzelne Mensch in allen Phasen der Migration unterstützt, informiert, integriert und vor Diskriminierung geschützt werden soll. Was jedoch mit keinem Wort erwähnt wird, sind Rechte und Interessen aufnehmender Gesellschaften. Dass Migration nicht ausschließlich positiv, sondern mit erheblichen sozialen Verwerfungen verbunden sein kann, sollte inzwischen bekannt sein. Auch wird außer Acht gelassen, dass nicht von einer überschaubaren Anzahl an Individuen auszugehen ist, sondern von einem Potential mehrerer hundert Millionen!

Soziologische Nebenwirkungen werden komplett ausgeklammert und durch Kampagnen ersetzt, die Migration in einem positiven Licht erscheinen lassen sollen. Das riecht nach Agitation und Propaganda à la DDR! Spätestens der Abschnitt 17 (Eliminate all forms of discrimination and promote evidence-based public discourse to shape perceptions of migration) hat das Potential für Magenschmerzen. Zwar wird stets betont, die Meinungsfreiheit bleibe gewahrt, doch wer entscheidet, wo die Grenze zwischen legitimer Kritik und Rassismus verläuft?

Viele offene Fragen

Man rühmt sich, alle Facetten der Migration zu behandeln, doch das ist nicht der Fall. Warum werden nicht Chancen durch gut ausgebildete Rückkehrer als Multiplikatoren betrachtet? Wie wird bei der Inklusion sichergestellt, dass Bildungsstandards nicht in den Keller absacken? Wie gelingt die Umsetzung, wenn alle an einem Strang ziehen sollen und doch alles freiwillig ist? Wo liegen Schnittstellen und Zuständigkeiten? Welche Prioritäten und Zeitpläne gibt es? Warum bleiben Negativaspekte der Migration unerwähnt? Wie verfahren mit Migranten, die nicht Opfer, sondern selbst Gewalt-Täter, Antisemiten oder Rassisten sind? Weshalb interessiert sich niemand für die Sorgen und Nöte derer, «die schon länger da sind»? Wo bleiben abgebende Gesellschaften, die tatkräftige, junge Menschen verlieren? Meine vielen Fragen wären einen eigenen Artikel wert.

Angst und Hysterie

Im Internet sorgt dieser Pakt für Furore. Die Meinungen reichen vom harmlosen, nicht realisierbaren Papiertiger, bis zur totalen Kapitulation und des abendländischen Untergangs. Ob hier legale Wege für Millionen von Armutsflüchtlingen eröffnet werden, die unsere Gesellschaften sprengen, bleibt abzuwarten. Allein die Tatsache, dass dieses von so großem, historischem Ausmaß dimensionierte Übereinkommen im öffentlichen Diskurs so gut wie nicht vorkommt und weder parlamentarisch diskutiert noch dem gemeinen Bürger erklärt wird, irritiert.

Geordnete und geregelte Migration nützt in der Tat allen und ist zu begrüßen. Vielfalt ist eine Bereicherung, wenn sie mit Verstand und Augenmaß gehandhabt wird! Wer könnte etwas dagegen haben, die Lebensstandards vor Ort und insbesondere in den Flüchtlingscamps zu verbessern, damit die Menschen eben nicht den Lebensgefährlichen Weg nach Europa antreten? Welcher Mensch mit Verstand würde den Kampf gegen Sklavenhandel ablehnen? In Deutschland ist zudem vieles ohnehin längst umgesetzt, so dass es eher darum gehen dürfte, Standards in anderen Staaten nach oben anzugleichen, um den Migrationsdruck zu verringern.

Andererseits, warum ist dies ein Globaler Pakt FÜR Migration?

Der Kommunikations-Gau der Regierung besteht darin, nicht von Anfang an offen und transparent mit diesem Thema umgegangen zu sein. Migration spaltet das Land wie kein anderes und sollte entsprechend sensibel gehandhabt werden. Wem das Schweigen nützt ist offensichtlich.

Fazit

Dieser Pakt ist ein kolossales Projekt, das viel Positives enthält und zugleich in jede beliebige Richtung interpretierbar ist. Geht es um mehr Migration oder um weniger?

Es ist sehr zu begrüßen, dass die internationale Gemeinschaft zum ersten mal überhaupt versucht, ein inhärent globales Thema eben auch vereint anzupacken und Lösungen zu finden. Bei knapp 200 Mitgliedern dürfte es schwer genug sein, überhaupt einen Kompromiss zu finden. Daher gehe ich davon aus, dass nicht jeder einzelne Satz und jedes Komma auf die Goldwaage zu legen ist.

Dennoch hätte ich mir einen «Globalen Pakt für ökologische Balance und gleiche Chancen für Alle» gewünscht. Das hätte die wahren Probleme der Menschheit ins Rampenlicht gestellt, anstatt den Anschein zu erwecken, nur Symptome und Folgen zu verwalten. Man darf dennoch gespannt sein, ob dies die erste Utopie der Menschheits-Geschichte ist, die gelingt.

Viele Grüße

Oliver Schömburg (Olliwaa)

P.s.: Endlich, am 08.11.2018 hat der Bundestag den Pakt auf der Agenda gehabt. Leider wieder mal nur auf Druck der AfD.

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